Ein Entwicklungs- und Bindungstrauma entsteht in den ersten sieben Lebensjahren und ist auf fehlende oder destruktive Beziehungs- und Erziehungsmuster (Vernachlässigung, Strenge, physische und/ oder psychische Gewalt) in dieser Zeit zurückzuführen.
Für ein Kleinkind ist es überlebensnotwendig, dass es einerseits mit Nahrung, andererseits mit Liebe, Zuwendung und bedingungsloser Annahme durch die Eltern versorgt wird. Kinder möchten ihre Umwelt entdecken und erforschen, entwickeln Neugierde und Autonomie, werden jedoch häufig in ihrer ganzen Lebendigkeit von Eltern oder Bezugspersonen ausgebremst und konditioniert, weil auch diese in unterschiedlichem Maße unverarbeitete Traumata in sich tragen.
So unterdrücken die Eltern beispielsweise Wut, Ängste und Traurigkeit beim Kind, um selbst mit diesen, in sich unterdrückten Gefühlen, nicht in Kontakt zu kommen. Kinder benötigen jedoch für eine gesunde psychische Entwicklung ein reguliertes Nervensystem der Eltern. Spürt ein Kind, dass es seine Gefühle des Selbstausdruckes (z.B. seine lebendige Wut, Trauer oder Ängste) nicht zeigen darf, unterdrückt es diese in sich, um die lebensnotwendige Beziehung und Bindung zu den Eltern nicht zu gefährden. Durch diese nicht ausgelebten Emotionen und Bedürfnisse im Kontakt mit den Eltern entsteht permanenter Stress im Körper. Der kindliche Organismus befindet sich nun in einem Dilemma: Einerseits möchte es die Bindung und die Liebe zu den Eltern nicht gefährden, anderseits will es seine Eigenständigkeit, seine Autonomie und eine gesunde Abgrenzung erhalten.
Um diesen dauerhaften Konflikt zu überleben, stellt sich das Kind letztendlich selbst in Frage und opfert dadurch seine Bedürfnisse und inneren Impulse. Es verurteilt sich selbst, gibt sich die Schuld am Verhalten der Eltern und empfindet sich als „falsch“ oder „nicht liebenswert“. Wut und Traurigkeit werden unterdrückt und es beginnt eine Kaskade aus Schuld und toxischer Scham. Im Unterbewusstsein bzw. im Stammhirn wird die Welt insgesamt und der Kontakt mit anderen Menschen im speziellen als unsicher, ja meist sogar als gefährlich eingestuft und bewertet. Unser Nervensystem reagiert folglich in der Begegnung mit anderen und stellt sich auf einen Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsmodus um. Jede soziale Interaktion ist dadurch immer mit körperlichem Stress, mit innerer Anspannung und einem latenten Gefühl von Gefahr verbunden, der die biochemischen Prozesse im Körper nachhaltig negativ beeinflusst. Damit wird die gesamte Persönlichkeitsentwicklung des Kindes negativ beeinflusst und führt im Erwachsenenalter zu Kompensations- und Abwehrmechanismen sowie Überlebensstrategien und infolge dessen, zu einem unauflösbaren Leiden auf physischer und/oder psychischer Ebene.